Gefahr im Anzug

„Du bist doch nicht George Clooney.“ Mit diesen Worten hängte sie den Anzug seiner Wahl zusammen mit seinem letzten Rest Selbstwertgefühl zurück auf die Stange. Er protestierte nicht. Er sah dem Glencheck-Dreiteiler mit Billettasche und steigendem Revers nur unendlich traurig hinterher. Traurig und dunkelgrau – so wie der Anzug, mit dem er schließlich in die Umkleide schleichen durfte. In diesem Moment war er der einsamste Mann der Welt, geschlagen von seiner eigenen Ehefrau. Er tat mir leid.

 

Für seine Gattin war die Wahl seines Anzugs keine Frage von Nicht-Gefallen, sondern von Nicht-Auffallen. Unangepasstheit steht fast jedem Mann gut, allerdings nie dem eigenen. Ein Anzug muss in erster Linie zum Platz seines Trägers in der Gesellschaft passen, nicht notwendigerweise zu ihm als Person.

 

Man hat sich schließlich zu fügen, einzufügen. Dezent, gedeckt, seriös. Heimlich, still und leise. Tarnkappe fürs Fußvolk. Das kleinste gemeinsame Korsett einer hochgeschlossenen Gesellschaft. Nullachtfünfzehn, Siebenundvierzigelf, Pik Sieben. Die Rechnung geht auf – aber nicht zu Deinen Gunsten.

 

Stell Dir die richtigen Fragen. Wenn Deine Hand über Kunstfaser streicht, spürst Du Dich dann noch selbst? Wenn Du mit Anthrazit nichts falsch machst, was genau machst Du damit richtig? Wenn Du aussiehst wie alle anderen, wie willst Du verhindern, zu einem Niemand zu werden?

 

Nicht Du sollst einen guten Anzug tragen, sondern er Dich. Er sitzt, wenn Du stehst. Er passt, wenn Du gehst. Er schützt Dich, wenn Du kämpfst. Er stützt Dich, wenn Du schwankst. Und wenn Du fällst, dann fällst Du mit einem guten Anzug immer weicher. Er ist Dein Freund und Helfer, glänzende Rüstung und scharfes Geschütz, erster Eindruck und letztes Mittel. Wähle Deine Waffe selbst, lass sie Dir nicht aus der Hand nehmen. Sonst richtet sie sich letztlich gegen Dich selbst. 

 

Schau auf und sieh Dich an. Lass sie ruhig schweigen, schwätzen, schmeicheln, die Zweifler und Zauderer, Ignoranten und Verwandten. Fasse Vertrauen und greif zu. Sei mutig, aber nicht übermütig. Lerne die Regeln und brich sie mit Bedacht. Mache Fehler, aber mach sie nur einmal. Such Dir Verbündete. Sei der erste unter Gleichen, statt nur einer von vielen. Kauf Dir nicht ein paar Anzüge, sondern finde den einen richtigen.

 

Denn Du bist George Clooney.

Du bist Jude Law, Will Smith, Daniel Craig.

Du bist Sean Connery, Gary Cooper, Cary Grant.

Du bist Mark Twain, Tom Wolfe, F. Scott Fitzgerald.

Du bist Du Al Capone, Michael Corleone, Gordon Gekko.

 

Du bist, wer immer Du sein willst.

Also sei ein Mann – und zieh Dich auch so an.

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